"Entwickelt sich mein Kind normal" ?

 

 

Kinder sind sehr verschieden, aber eine ganz besondere Eigenschaft haben sie alle: sie entwickeln sich ständig weiter und das besonders in den ersten Lebensjahren sehr schnell. Über die sichtbaren Entwicklungsschritte freuen sich die Eltern: der erste Zahn, das erste Wort, der erste Schritt, das sind gute Gründe zur Freude!

Kinder entwickeln sich in den verschiedensten Bereichen: körperlich, motorisch, sprachlich, sozial, ... Fortwährend erlernen sie neue Fähigkeiten. Manchmal ist die Entwicklung deutlich sichtbar z.B. beim Laufenlernen, manchmal weniger sichtbar. Mal scheint es aber auch in einem Bereich nicht richtig weiterzugehen. Da warten Eltern vielleicht lange auf die ersten Worte des Kindes und stellen sich dann die Frage: "Entwickelt sich mein Kind normal?" Da hat vielleicht jemand gefragt, ob das Kind denn schon dies oder jenes kann und die Antwort ist Nein. Oder die Eltern beobachten gleichaltrige Kinder, die offensichtlich schon Dinge gelernt haben, die das eigene Kind noch nicht kann. Allzu schnell kommt Sorge auf, dass die Entwicklung des eigenen Kindes nicht normal ist. Aber was ist denn "normal"?

Ganz wichtig ist es zu sehen, dass jedes Kind sich individuell entwickelt. Dies läuft wie ein Programm ab, das im Kind angelegt ist. Ganz plötzlich lernt das Kind in einem Bereich sehr viel und das aus eigenem Antrieb. Als Erwachsene, die ein Kind in seiner Entwicklung begleiten, können wir also sicher sein, dass jedes Kind seinen eigenen Entwicklungsweg geht und zwar aus sich selbst heraus und individuell so, wie es dem Kind entspricht.

Natürlich können und sollen die Kinder dabei unterstützt werden, denn sie brauchen Anregungen, um lernen zu können. Die wichtigste Quelle für Anregungen sind die Eltern in ihrer Art mit dem Kind umzugehen und zu sprechen. Die Umwelt des Kindes ist die zweite Quelle: ganz alltägliche Dinge, mit denen sich auch die Eltern beschäftigen genauso wie altersgemäße Spielsachen. Wichtig ist hierbei, dass das Kind auswählt, was gerade interessant ist, womit es sich beschäftigen möchte und das ist dann oft gar nicht der Lerncomputer, sondern vielleicht der Briefkastenschlüssel und das Öffnen der Post. Das Kind macht so seine eigenen Erfahrungen, um zu lernen und sich zu entwickeln und als Eltern und Erzieher haben wir oft einfach die Aufgabe, der Neugier des Kindes Raum zu geben, damit es die Welt entdecken kann. (Gute Ideen wie Eltern ihre Kinder konkret unterstützen können, gibt es in anderen Beiträgen dieses Elternratgebers z.B. "Entwicklung bei Kindern", "Fit für die Schule", "Selbstständigkeit", "Konzentration lernen".) Auch in der Kita hat das Kind eine Vielzahl von Angeboten, um Neues zu entdecken und sich weiterzuentwickeln. Das geschieht sowohl im Gruppenalltag als auch für einzelne Kinder in besonderen Angeboten durch die Fachkräfte.

 

Wenn das Kind dann aber aus verschiedensten Gründen doch etwas wesentliches nicht lernt, sich eine Fähigkeit nicht entwickelt? Ganz wichtig ist hier zu sehen: Das Kind kann es noch nicht, es braucht nämlich vor allem, dass Eltern dem Kind zutrauen zu lernen und sich zu entwickeln und nicht zu sehr besorgt sind.

Aber natürlich gibt es auch immer wieder den Fall, dass ein Kind in einem Bereich besondere Unterstützung braucht, weil es zum Beispiel mit drei Jahren nur wenige einzelne Worte spricht. Wie kann man beurteilen, ob und wann Fachleute aus speziellen Bereichen zur Unterstützung hinzugezogen werden sollten? Dafür haben Wissenschaftler Normen entwickelt, welche "Meilensteine der Entwicklung" ungefähr in welchem Alter erreicht sein sollten, damit die weitere Entwicklung gut darauf aufbauen kann. Auf der Internetseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung findet man zu den verschiedenen Bereichen der Entwicklung Anhaltspunkte, in welchem zeitlichen Rahmen sich Kinder entwickeln (Entwicklungsschritte des Kindes | kindergesundheit-info.de ).

Aber da jedes Kind einen individuellen Entwicklungsweg und eine spezielle Lebenssituation hat, ist es meistens hilfreicher, das Gespräch mit Fachleuten zu suchen. Da sind zum einen die Kinderärzte, die im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen einen Blick auf die Entwicklung des Kindes werfen, aber auch die Erzieher in der Kita, die das Kind regelmäßig beobachten und in seiner Entwicklung begleiten, haben eine gute Einschätzung für Entwicklungsbereiche, in denen ein Kind Unterstützung brauchen könnte. Darum werden regelmäßig Elterngespräche angeboten, um sich über die Entwicklung des Kindes auszutauschen. Möglicherweise findet man in einem Elterngespräch gemeinsam heraus, dass ein Kind in einem Bereich seiner Entwicklung gerade verzögert lernt und kann dann zusammen überlegen, welche Ursachen diese verzögerte Entwicklung erklären und wie das Kind konkret unterstützt werden kann. Da könnte zum Beispiel ein Umzug beim Kind zu Verunsicherung geführt haben, so dass es nur wenig spricht und gerade viel Sicherheit und Ermutigung braucht. Manchmal wird im Gespräch aber auch klar, dass es für das Kind gut wäre, gezielt therapeutisch gefördert zu werden. Dann ist es angeraten, dass der Kinderarzt eine Diagnose stellt und so weitere Förderung (z.B. Frühförderung, Ergotherapie oder Logopädie) angstößt oder verschreibt. 

Die Therapeuten fördern das Kind sehr gezielt, damit es sich gut weiterentwickeln kann:  Die Frühförderung, die Kinder in den ersten sechs Lebensjahren sehr ganzheitlich unterstützt, Ergotherapeuten, die ebenfalls in verschiedenen Bereichen wie z.b Fein- und Grobmotorik, Aufmerksamkeit und Wahrnehmung, aber auch im Sozialverhalten nächste Entwicklungsschritte anbahnen und Logopäden, die speziell die Sprachentwicklung fördern, was sowohl die Artikulation als auch den Wortschatzaufbau und den Grammatikerwerb umfasst. So kann jedes Kind für einen überschaubaren Zeitraum die passende therapeutische Unterstützung erhalten, um sich gut weiter zu entwickeln.

Es ist gut, wenn Eltern die Entwicklung ihres Kindes beobachten und wenn sie sich Mal Sorgen machen, ob sich ihr Kind "normal entwickelt" offen mit den Erziehern darüber sprechen. So kann das Kind mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten gut unterstützt werden, so dass es seinen Lebensweg selbstbewusst und immer selbstständiger gehen kann. Genau das wollen wir jedem Kind zutrauen.